Kopfzeilengraphik
Und immer noch kein Schöfelloop

"Schöfeln" ist der plattdeutsche Ausdruck für "Schlittschuhlaufen" und eine der traditionellen Volksbelustigungen der Ostfriesen. Für Langstreckenfahrten bewähren sich noch heute die früher allgemein üblichen "Holländer", flache Schlittschuhe aus Holz mit Eisenkufen, die nach vorn weit ausgebogen sind und mit breiten Bändern oder Lederriemen befestigt werden. Sie wurden hauptsächlich in Breinermoor (bei Leer) hergestellt. Besonders die Einwohner des Dorfes Riepe stehen seit jeher in dem Ruf, wagemutige Eisläufer zu sein, wovon der alte Spruch zeugt: "Wenn n` Krei (Krähe) over `Ys kann, denn kummt dar ook `n Riepster an."
Einen besonderen Eindruck macht es, wenn die Männer (oder Frauen) in langen Ketten hintereinander, die Hände an die Hüften des Vordermanns gelegt und mit den Beinen taktmäßig weit ausholend, über die krachende Eisfläche "schwieren".


Artikel aus dem "Ostfriesland Magazin" Nr. 2/1992 unter dem Titel "Kein Schöfelloop durch die Krummhörn"

Der Niedersächsische Eissportverband kann seinen seit Jahren geplanten Ostfreesland-Schöfelloop gegebenenfalls durchführen. Die vorgesehene Strecke mußte allerdings um die landschaftlich schönsten Abschnitte verkürzt werden.

Nein, zufrieden ist er damit nicht. Aber immerhin: Besser ein Schöfelloop auf amputierter Strecke als gar keiner. Einer Durchführung des seit Jahren geplanten und von Eisläufern sehnlichst erhofften ostfriesischen Eis-Ereignisses steht jetzt nichts mehr im Wege, vorausgesetzt der Winter kommt mit Minustemperaturen. Allerdings mußte Theo Smidt, der Vater der Idee und streitbarer Kämpfer gegen alle, die sich für das eisige Vergnügen nicht erwärmen konnten, zähneknirschend Abstriche an die Streckenführung machen.
Viele Jahre dauerte seine Auseinandersetzung mit den Behörden, dem Landkreis Aurich und der Bezirksregierung Weser-Ems. Die ganze Sache begann nach den beiden harten Wintern 1985 und ´86. Da kam Smidt, Architekt in Neermoor und damals wie heute Eisschnelllaufobmann im Niedersächsischen Eissportverband, auf den Gedanken, es den Holländern nachzumachen und etwas ähnliches wie deren berühmte Elf-Steden Tocht - d a s niederländische Wintersportereignis schlechthin - auf die Beine zu stellen. Ostfriesland mit seinen zahlreichen Gewässern durch reizvolle Landschaft bietet sich schließlich dafür geradezu an. Nicht nur die Eissportfans des Neermoorer SV "Concordia", sondern auch viele andere Schöfler aus ganz Ostfriesland und Holland unterstützten begeistert die Idee, mit der Smidt die ostfriesische Tradition des Wettlaufens auf dem Eis wiederbeleben will.
Ein 130 Kilometer langer Rundkurs wurde ausgetüftelt, und im Winter 1987 hätte die Durchführung beinahe geklappt. Das Eis war dick genug, eines kalten Sonnabends startete ein Probelauf, am darauffolgenden Sonntag sollte das eisige Spektakel stattfinden - doch urplötzlich schlug die Witterung um, Tauwetter setzte ein - aus der Traum.
Nicht nur das: Plötzlich erhoben Naturschützer Einwände, sie befürchteten Beeinträchtigungen der Natur durch Zuschauermassen, Müllprobleme, Störung der Wildgänse auf ihren Rastplätzen. Der Bezirksfischereiverband für Ostfriesland (BVO) war besorgt um die Fische, sah durch die Störung und den damit verbundenen erhöhten Sauerstoffverbrauch ein großes Fischsterben voraus.
Kurzum: Der Landkreis Aurich als untere Naturschutzbehörde untersagte für die Zukunft das Unternehmen und berief sich dabei auf die Naturschutzbestimmungen. Smidt gab nicht auf; was folgte, war ein unerfreulicher Papierkrieg, an dessen Ende plötzlich die Naturschutzbestimmungen für die Behörden keine Rolle mehr spielten. Smidt: "War alles Unsinn. Fische werden durch die Schöfler nicht aufgeschreckt." Er ließ sich seine Auffassung von einem Gutachter, dem Osnabrücker Biologen und Umweltberater Achibert Goll bestätigen. Der schrieb: "Die Behauptung des Landkreises Aurich, daß Fische im Winter durch Störungen aktiv werden könnten und der Stoffwechsel stark angeregt werden könnte, was zu einem erhöhten Sauerstoffverbrauch führen muß, läßt sich wissenschaftlich nicht belegen - ....Durch Eigenbewegungen sind Fische zwar in der Lage, kurzfristig ihre Körpertemperatur zu erhöhen (z. B. bei Störungen), aber in der Regel um nicht mehr als zwei Grad Celsius, so daß von einer starken Anregung des Stoffwechsels nicht die Rede sein kann." Goll beurteilte sogar vielmehr die Beseitigung einer eventuellen Schneedecke (Voraussetzung bei einem Volksschlittschuhlauf) positiv für die Sauerstoffversorgung der Fische.
So teilte dann auch die Bezirksregierung Weser-Ems schon am 27. Oktober 1988 mit, daß der Schöfelloop aufgrund der Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes nicht verboten werden kann. Die Ablehnung des Landkreises Aurich stützte sich fortan ausschließlich auf die Paragraphen 73 bis 75 des Niedersächsischen Wassergesetzes (NWG). Die Verantwortlichen sahen in Smidts Vorhaben keinen Gemeingebrauch sondern eine Sondernutzung der Gewässer. Für Smidt unverständlich: "Schöfeln ist keine Sondernutzung. Im Paragraphen 73 ist ausdrücklich von 'Eissport' die Rede. Dazu gehören doch wohl immer mehrere Personen, andernfalls würde man es 'Eislaufen' nennen."
Immerhin, der Landkreis Aurich (durch Verfügung der Bezirksregierung Weser-Ems für die Veranstaltung in der Stadt Emden und den Landkreisen Leer und Aurich als zuständige Wasserbehörde autorisiert) hat dieser Sondernutzung mit Einschränkungen zugestimmt.
Daß bedeutet, daß die Strecke von einst 130 geplanten Schöfel-Kilometern auf 90 Kilometer schrumpfen und die landschaftlich schönsten Gegenden ausgeschlossen bleiben mußten: das Fehntjer Tief (das durchs Naturschutzgebiet führt) und die gesamte Krummhörn. Der Landkreis Aurich hatte mehrfach den Wunsch geäußert, auch die Stadt Aurich in den Schöfelloop mit einzubeziehen, jedoch lehnt Smidt diesen Vorschlag ab: "Die Strecke über den Ems-Jade-Kanal nach Aurich ist zu eintönig und kann nicht in einen Rundkurs mit einbezogen werden. Außerdem ist das Eis bei der Raher Schleuse in der Regel sehr unsicher." Und wenn der Wind aus Richtung Osten bläst (und das tut er meistens bei beständigem Frostwetter), haben die Eisläufer zu sehr mit ihm zu kämpfen, denn der hochgelegene Kanal bietet nirgends Schutz.
Ausgangs- und Endpunkt bleibt Emden, allerdings wurden Start und Ziel von der Nordseehalle ans Larrelter Tief bei den Berufsbildenden Schulen verlegt. "Dort sind genügend Parkplätze und es gibt Duschmöglichkeiten. Das Tief ist hier 30 Meter breit, wir haben also genügend Platz und außerdem hat man dort einen guten Einblick auf Start und Ziel." Smidt hat also auch an die erwarteten Fotographen und Kameraleute gedacht.
Fünfzehn Zentimeter dick muß das Eis überall sein, dann kann der Startschuß fallen. Zuerst werden die Schnelläufer - Smidt rechnet mit mindestens 50, höchstens 100 - auf die Strecke gehen, ausgerüstet mit Startnummer und Startkarte. 25 Mark kostet das Startgeld, auch für die Schöfelfans, die außer Konkurrenz ihr Durchhaltevermögen beweisen wollen. Sechs Kontrollpunkte sind zu passieren: Oldersum, Timmel, Simonswolde, Uphusen, Hinte und Zielort Emden. Jeder, der ans Ziel kommt, wird mit einer Medaille belohnt, den Siegern unter den Schnelläufern winken Geldpreise.
Theo Smidt gibt sich mit seinem Teilerfolg hinsichtlich der Streckenführung nicht zufrieden und ist entschlossen, den ursprünglich geplanten Rundkurs durchzufechten. "Wenn das Eis trägt, sind überall in Ostfriesland tausende auf Schlittschuhen unterwegs, auch dort, wo wir nun nicht laufen dürfen. Dabei kann solch ein Schöfelloop doch höchstens alle fünf Jahre einmal stattfinden. Und die Teilnehmer jagen doch nicht alle zur selben Zeit über die Strecke, das Feld verteilt sich ja."
Wiederauflebung der alten Schöfel-Wettlauf-Tradition ist eines von Smidts Zielen, ein bißchen Werbung für die Schönheit des winterlichen Ostfrieslands ein anderes. Aber er hat noch weitere Pläne im Kopf: Mehr Eisbahnen für Ostfriesland wünscht sich der Vorsitzende der Eissportabteilung von "Concordia" Neermoor, solche wie der eigene Verein den Schlittschuhfreunden von nah und fern seit 1970 zur Verfügung stellt. Wenn es friert, wird einfach eine Wiese unter Wasser gesetzt, und schon ist gefahrloses Eislaufen möglich. So etwas, meint Smidt, sollte auch in anderen Gemeinden möglich sein. In den vergangenen Jahren ist die Neermoorer Bahn von unzähligen Menschen benutzt worden. An den Vormittagen kamen Schulklassen zu Fuß, per Fahrrad oder gar per Bus von überall her. "Warum nicht mal Schulwettkämpfe veranstalten?"
Der Knüller wäre für ihn eine Eissporthalle an zentraler Stelle Ostfrieslands. Smidt hat sich bereits umgeschaut und umgehört, wie so etwas zu realisieren wäre und Beispiele in Harsefeld bei Stade sowie Adendorf bei Lüneburg gefunden. Er könnte sich eine solche Halle sogar auf dem Dach des geplanten Einkaufszentrums - in Eisinghausen oder wo immer es einmal gebaut werden wird - vorstellen: "So etwas gibt es bereits in Ahaus bei Nordhorn. Dort kann man im zweiten Obergeschoß schlittschuhlaufen." Allerdings räumt er ein: "In den genannten Eissporthallen funktioniert die Sache nur deshalb kostendeckend, weil Eissportveranstaltungen Publikum anlocken und Geld in die Kassen bringen. Ohne Sport geht nichts."


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